„Aber nicht auf Massenreisen“, sagt Slavo.
„Und das sieht um diese Zeit schon danach aus.“
„Bestimmte Urlauber brechen sehr zeitig auf.“
„Die, mit den gelben Nummern?“
„Das sind Holländer.“
„Die Nummern hier, sehen aber anders aus.“
„Franzosen.“
„Alle wollen nach Italien.“
„Die, mit Geld. Die anderen schmoren zu Hause.“
„Das Tal ist aber recht dunkel hier.“
„Die Sonne muss erst über den Berg kommen. Gegen Zehn wird es heller.“
„Aber da Unten ist es ziemlich hell.“
„Da wollen wir hin. Das ist Affi.“
„Die Burgen und Schlösser in den Bergen gefallen mir.“
„Damit hast du auch fast Alles gesehen.“
Die Müdigkeit hat Gelika überrascht. Sie ist eingeschlafen. Wahrscheinlich hat sie mehr Sehenswürdigkeiten erwartet. Ihr Wunsch ging nicht in Erfüllung. Die Kulisse wird ziemlich eintönig.
Slavo achtet schon lange nicht mehr auf die Kulisse. Ihn interessiert eher, was die Kollegen im Funk sagen.
„In Trento steht die erste Kontrolle. Wir müssen dort anhalten.“
Gelika hört kaum hin. Sie schlummert.
Slavo muss zum Flughafen. Dort wird seine Fracht umgehangen. Im Gewerbegebiet. Genau hier ist auch eine Kontrolle. Slavo zeigt wieder die Telefone. Beide werden gescannt.
„Sind die gültig?“, fragt der Beamte.
„Wenn sie es nicht wissen. Ich weiß es nicht.“
Der Beamte nimmt die Telefone mit. Nach zehn Minuten ist er wieder da.
„Haben sie Alles?“
„Ist in Ordnung.“
Sicher klingt dem seine Aussage auch nicht. Die Vorgaben verändern sich stündlich. Je nachdem, wie viel Konkurrenz unterwegs ist. Und, was die geladen haben. Die Kollegen reden von organisiertem Diebstahl. Beschlagnahmung nennt sich das heute. Dagegen war das Mittelalter eine Blütezeit. Gelika ist wieder wach.
„Zum Schlafen kommt man hier schon mal nicht.“
„Keine Angst. Ich habe ein lauschiges Plätzchen für uns.“
Auf den Papieren von dem neuen Container steht: Damenunterwäsche. Gelika muss lachen.
„Wo soll das hin?“
„Nach Affi. Dort ruhen wir etwas.“
Die Zeit hat Slavo gut gewählt. Mittagszeit.
„Vorher müssen wir nach Rovereto. Dort kommen noch zwei Container dazu.“
Rovereto wirkt etwas heller. Die Sonne zeigt sich schon. Avio gefällt Gelika besonders.
„Ein schöner Ort. Hier kann man es aushalten.“
„Hier gibt es reichlich Industrie.“
Slavo will damit sagen, die Wohnungen hier sind knapp und teuer.
„Die Spekulanten hier fahren die größten Autos.“
Beide müssen lachen bei der Bemerkung.
„Zum Glück, brauchen wir das nicht“, singt Gelika und faltet die Hände dabei.
In Rovereto geht die Beladung recht schnell. Gelika geht inzwischen einen Kaffee trinken. Sie nimmt Slavo einen großen Becher mit. Auch ein riesengroßes Panino. Das ist fast vierzig Zentimeter lang. Der Verkäufer hat ihr angeboten, es zu teilen. Gelika hat abgelehnt und seine überraschten Blicke geerntet.
„Passen sie in der Drehtür auf. Sie bleiben hängen mit dem Brot“, ruft er ihr in Italienisch hinterher. In der Tür begreift Gelika, was er meint. Sie verliert eine Salamischeibe dabei. Der Verlust ist kaum spürbar. So reichlich ist das Brot belegt.
Slavo ist fertig. Er wartet auf Gelika. Mit der Hupe gibt er ein Zeichen. Auf dem Parkplatz stehen hunderte Lastwagen. Schätzt Gelika. Sie hätte sich fast verlaufen.
„In Affi haben wir etwas länger Pause“, sagt Slavo. Er weiß das nicht genau. Er schätzt das nur.
In Affi angekommen, wird Gelika von einem Rieseneinkaufszentrum überrascht.
„Für was ist das?“, fragt sie Slavo.
„Zum Einkaufen. Unser Lagerraum ist weiter Hinten.“
„Ist das nicht ein bisschen groß für den Einkauf von Wurst und Semmeln?“
„Grandomanie“, antwortet Slavo und lacht. Er lacht laut. Seine Kollegen schauen zu ihm.
„Willst du dort mal spazieren gehen?“
„Das ist ganz sicher kein Spaziergang.“
„Die Kollegen kaufen oft für ihre Kinder dort ein. Das dauert einen halben Tag. Komisch. Die Zeit rechnet Keiner.“
„Und das Geld?“
Die Zwei sind sich einig. In so Etwas, werden sie nie einkaufen.
„Das ist der Spielplatz für Irre“, sagt Slavo.
Aber die Massen scheinen sie davon zu überzeugen – es gibt genug davon.
„Warum treten Irre immer in großen Gruppen auf?“, fragt Gelika. Sie muss lachen.
„Wir sind einfach keine Menschenmassen gewohnt“, antwortet Slavo.
„An so Etwas kann ich mich nicht gewöhnen.“
Slavo küsst Gelika. Um sie zu beruhigen. Irgendwie fühlt sie sich bedrängt hier. In die Enge getrieben.
„Wir fahren so schnell wie möglich.“
Bei Slavo haben sie nur zwei kleinere Container rein gestellt. Wieder Textilien.
Einen Gang zu einem Imbiss, vermeiden die Zwei hier. Überall Menschenschlangen, Geschrei, Gedränge.
„Gesund ist das sicher nicht hier.“
Slavo muss lachen bei Gelikas Bemerkung.
„Wir fahren jetzt einen winzigen Umweg.“
Tatsächlich biegt Slavo auf eine Umgehungsstraße ab. Peschiera del Garda liest Gelika.
„Hier kommt unser Plätzchen.“
Slavo steigt in seinen Laderaum und lässt die Rampe herunter. Gelika schaut in den Spiegel. Sie sitzt noch Vorne. Sie trau ihren Augen kaum. Slavo steht mit einem Roller neben ihrem Beifahrerfenster.
„Ausflug“, ruft er und hält Gelika einen Helm hin.
„Du hast einen Scooter gekauft?“
„Der ist von Goran. Eine Prämie.“
„Das habt ihr mir verschwiegen?“
„Goran wollte dich mit dem Roller zur Hochzeitsreise überraschen.“
„Das ist ihm gelungen.“
„Wir fahren kurz ans Wasser.“
Gelika weint vor Freude, als sie den See sieht. Slavo küsst ihr die Tränen ab.
„Der Helm passt“, sagt er zu Gelika.
Die Zwei fahren ans Wasser. Gelika bleibt der Mund offen stehen. Im Scooter hatte Slavo das Geschenk von Hannes versteckt. Prosecco. Er lässt den Korken knallen und füllt den spritzigen Saft in zwei Trinkbecher.