„Die Aussagen der Nachbarn klingen aber anders.“
„Ich weiß. Dort gibt es oft Partys. Die hören wir über den ganzen See. Das sind junge Leute. Die brauchen ihren Spaß.“
Die Großzügigkeit von Jonas überrascht Gelika etwas. Sie dachte, es mit einem sturen Bauern zu tun zu haben. Bei Slavo hat sie es schon anders gelernt. Bauern haben einen anderen Rhythmus, als Arbeiter. Einen Tages füllenden. Ein Bauer muss sich seine Kraft täglich einteilen. Er braucht Reserven und den Blick für wichtige Aufgaben. Jonas scheint den Blick zu haben. Das Leben auf dem Reschen war sicher nicht einfach. So dicht an der Grenze.
„Der Schwerlastverkehr ist unser Problem“, gesteht er. „Der zerstört unsere Berge.“
„Mein Slavo fährt so einen Lastwagen.“
„Der ist ein lieber Mann. Ich habe ihn in unserem Cafe gesehen.“
„Das Cafe gehört zum Hotel?“
„Das Hotel haben wir viel später gebaut. Im Cafe konnten wir unsere Produkte direkt absetzen. Das lief sehr gut.“
„So, in etwa, schwebt uns das auch vor.“
„Das ist ein harter Weg.“
„Die Polizei fährt weg. Ich muss die Zimmer putzen.“
„Heute sind es nur zwanzig Zimmer. Einige Gäste sind gegangen. Maria hat deren Zimmer schon geputzt.“
„Danke. Bis zum Mittag.“
Gelika kann wieder zur Arbeit. Maria wartet schon. Sie wirkt streng.
„Die verlangen von uns, wir sollen uns impfen lassen. Ich möchte das nicht. Jonas auch nicht.“
„Gibt es Auswege?“
„Sie drohen mit einer Schließung. Wir müssen alle Gäste testen. Täglich. Einige gingen deswegen vorzeitig. Immerhin haben die Gäste oft viele Jahre gespart für einen Urlaub.“
„Jonas hat mir schon die Zimmeranzahl gesagt. Da habe ich heute schon etwas Glück. Bei der Verzögerung.“
„Die Zimmer Abreisen haben ich gestern Abend schon geputzt. Die Gäste sind im Dunkeln abgereist.“
„Die Streifen stehen Tag und Nacht, sagt Slavo.“
„Man könnte fast gläubig werden. Ihnen einen Abgang in der Form wünschen, wie sie uns Zeit -Lebens quälen.“
Gelika entdeckt Gemeinsamkeiten mit ihren Chefs. Sie arbeiten hart für ihren Traum. Wir sind gleich. Mit ihren Schulden, sind sie eigentlich ärmer als wir Proleten. Der Gedanke wurmt sie.
„Wir haben einen gemeinsamen Feind.“
Maria staunt, was Gelika für Gedanken von sich gibt.
„Unser Hotelbau war eigentlich ein Fehler. Aus heutiger Sicht. Wir könnten uns damit freiwillig enteignen.“
„In Entwicklungsländern wird das so praktiziert.“
„Du bist doch nicht etwa Kommunistin?“
„Ich habe Geschichte studiert. Es gibt grausame Gemeinsamkeiten.“
„Unsere Kinder studieren auch. In Innsbruck und Wien.“
„Landwirtschaft oder Gastronomie?“
Maria muss lachen.
„Das will hier Keiner machen. Höchstens, wenn der Wunsch nicht in Erfüllung geht.“
„Wer nichts wird, wird Wirt.“
Beide lachen.
„Du hast Recht. Wer lässt sich schon freiwillig quälen.“
„Aber ich bekomme trotz Studium und sehr guten Abschlüssen, keine Arbeit auf diesem Gebiet.“
„Das ist ein Thema für sich. Ich weiß dazu keine Antwort.“
Gelika geht in die Zimmer. Manche sehen aus wie eine ungeplante Abreise. Die Gäste haben sehr viele Dinge liegen lassen. Gelika legt die Dinge alle in einen Korb, der unterhalb des Wagens angebracht ist. Bis Mittag hat sie alle Zimmer schon gereinigt.
In der Küche steht der Personaltisch. Das Essen ist angerichtet. Die Kollegen sitzen schon.
„Du bist aber spät.“
Gelika stellt sich vor. Die zwei Köche auch. Michael und Andreas. Andrea ist die Kellnerin vom Frühstück. Sie bleibt bis Nachmittag. Klaus kommt zu Mittag und bleibt bis zum Schluss. Der ist hier recht zeitig. Neun Uhr abends ist das Menü beendet. Die Italienischen Landsleute bleiben oft etwas sitzen oder kommen später. Deutsche sind keine mehr im Haus.
Nach der Vorstellung werden noch lockere Gespräche geführt. Es gibt eine Art Abrechnung vom Trinkgeld. Man teilt. Alle kommen aus der Gegend. Manche mit dem Auto.
„Du wohnst drüben in der Hütte von Tom?“, fragt Andreas. Er ist der erste Koch. Andreas ist recht groß und ziemlich stämmig. Er kommt aus Mals. Mit dem Rad oder dem Roller. Heute ist er mit dem Roller da.
„Kennst du die Hütte?“
„Ich habe schon ein paar Mal dort gekocht.“
Die Welt ist klein, denkt sich Gelika.