Gelika – Fahrrad

Kaum ist sie fertig, geht sie noch einmal bei Jonas vorbei. Der Stall und die Nebengebäude sind schon ein recht stattliches Anwesen. Gelika schätzt zwanzig Kühe. Graue. Ein paar Braun-Weiße sind dabei. Die geben etwas mehr und fettere Milch.

„Die Gleichen haben wir bei uns“, sagt Gelika zu Jonas. Jonas staunt.

„Wie lange hast du mit den Tieren gearbeitet?“

„Ich kenne Slavo erst seit Kurzem. Wir haben sofort geheiratet.“

„Warum bist du gegangen?“

„Wir haben für unsere Milch keine zehn Cent bekommen. Davon können wir nicht leben.“

„Wir bekommen fast das Dreifache. Das reicht trotzdem nicht.“

„Wir wollen nicht reich werden. Wir wollen nur leben.“

„Macht doch einen Biohof.“

„So etwas Ähnliches schwebt uns auch vor. Wir müssen dafür nur die Jungtiere kaufen. Ein Teil unserer Herde ist Genossenschaftseigentum.“

„Ihr müsst das etwas mischen. Ein Teil – Genossenschaft. Ein Teil – euer Vieh.“

„Danke. Wenn ich helfen kann, sag mir Bescheid.“

„Jetzt, mit der Pandemie, wird es schwer. Auch für uns. Der Verkauf wird zurück gehen. Auch der Preis für die Milch und andere Erzeugnisse.“

„Komisch. Im Laden wir Alles teurer.“

„Du weißt ja. Die falschen Leute verdienen.“

Gelika wollte erst mit Karl Marx anfangen. Bei Jonas hätte das sicher keinen Sinn. Obwohl er ein sehr geduldiger Zuhörer ist. Gelika liebt sein ruhiges Wesen. Maria ist das ganze Gegenteil. Sie wirkt aufgedreht und hektisch. Maria ist ein paar Jahre jünger als Jonas. Sie legt Wert auf ihr Äußeres. Ihre Tracht betont besonders die Brüste. Einige Hotelgäste scheinen den Anblick zu lieben. Sie belagern regelmäßig die Rezeption, wenn sich Maria dort befindet.

Jonas verabschiedet sich von Gelika. Gelika ist etwas müde. Die Liebesnacht mit Slavo hat ihr den Schlaf geraubt.

Sie geht zurück ins Hotel und will sich verabschieden. Maria bittet sie ins Büro.

„Unsere Behörden fordern einen Impfnachweis.“

„Ich bekomme meinen von Slavo. Er bringt ihn mir mit.“

„Wir können den Nachweis umgehen, wenn die Behörden nichts von dir wissen.“

„Was kann ich tun?“

„Parke dein Auto drüben an deiner Hütte. Auf Arbeit kommst du mit dem Fahrrad. Nimm eins von unseren.“

„Das klingt logisch. Das werde ich tun. Ich muss dann auch nicht mehr tanken.“

„Überall finden Kontrollen statt. Du darfst auch unseren Ort nicht verlassen.“

„Wie kommen dann unsere Gäste hier her?“

„Arbeiter dürfen sich weiter frei bewegen. Die werden angeblich in den Betrieben getestet.“

„Müsst ihr euch auch testen?“

„Täglich.“

„Das ist doch sicher teuer.“

„Mehr als das. Die machen Geschäfte damit.“

„Und dazu, Erpressung.“

„Anders würde das nicht funktionieren.“

„Bis morgen. Danke. Ich versuche jetzt mal. Rad zu fahren.“

„Jonas hat dir ein Rad fertig gemacht. Das geht gut.“

„Bringt ihr mir das rüber?“

„Jonas hat es dir schon an die Hütte gebracht.“

„Danke. Bis morgen.“

„Wenn Kontrollen sind, rufen wir dich an. Steck bitte immer das Handy ein. Jonas gibt dir später noch einen Funk.“

Gelika fährt nach Hause. Zum Glück trifft sie keine Kontrolle. Sie weiß aber nicht, ob im Ort über sie gesprochen wird. Darin sieht sie eine kleine Gefahr. Hoffentlich kommt Slavo bald mit dem Nachweis. Sie kontrolliert ihr Handy. Dort ist der Nachweis schon eingetragen. Von Gabor als Beifahrer. Sie ist glücklich darüber.

Ihr Fahrrad steht an der Hütte. Es sieht fast neu aus. Sie stellt es in den Schober. Das Auto auch.

In der Hütte ist es schön warm. Gelika geht nach dem Duschen sofort zu Bett. Sie schaut noch einmal auf ihr Handy. Slavo kommt morgen Abend zur Rücktour. Er hat ein Foto von Verona angehangen. Auch von der Pension, bei der er übernachtet. Rein gegangen ist er nicht. Er schläft im Lastauto. Alle vier Stunden wird er kontrolliert. Viele Streifen sind unterwegs. Er fragt sich, ob die nicht miteinander reden. Eine Kontrolle würde doch vollständig reichen.

„Langsam wird mir die Zunge rau von den vielen Kontrollen“, hat er geschrieben.

Gelika ist sich bewusst; die Behörden sind völlig überfordert damit. Sie befürchtet nichts Gutes.

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