
Nach dem Redigieren muss ich das Buch trotzdem noch einmal Korrektur lesen. Das ist dann die fünfte Korrektur. Wenn man das geschrieben hat, muss der Schreiber eine ziemlich lange Pause einlegen, um die Fehler zu finden.
Ich gehe ins Kühlhaus und ins Lager, um die Rohstoffe zu suchen.
“Sind zwölf Salate genug für heute?”
“Schau mal. Wir machen sonst um die fünfzehn/sechzehn.”
Naja. Wenn ich Mais, Bohnen, Saure Gurken, Sauerkonserven mit dazu rechne komme ich auch dahin. Als Erstes grille ich schnell Paprika und Melanzane. Danach schmore ich Zucchini und Champignons, die ich gleich süß-sauer abschmecke. Als Nächstes setze ich den Dämpfer an und gebe dort Grüne Bohnen, Blumenkohl und Sellerie zum Dämpfen hinein.
Jetzt gehe ich zur Maschine, lasse Fenchel, Rotkohl, Weißkohl, grüne Gurken und weißen Rettich durch. In den Konserven finde ich Rote Beete, Saure Gurken, gefüllte Peperoni, Peperonistreifen und Borlotti – Bohnen. Die Borlotti mache ich mit feingehackter Zwiebel, Salz, Pfeffer, Zucker, Essig und Öl an. Den weißen Rettich gebe ich Mayonnaise und Gewürz. Ich schäle schnell noch ein paar Gurken, entkerne und schneide sie. In einem Bräter fertige ich daraus Senfgurken, die ich leicht anschmore.
Mais steht auch im Lager. Marco sagt mir, das wäre Pflicht, den zu geben. Den Mais spüle ich ab und schmecke ihn mit Salz, Essig und Öl ab. Das reicht.
Die Rote Beete würze ich mit gehackter Zwiebel, Kümmelöl, Pfeffer, Zucker, Essig und Öl.
Marco ruft: “Genug! Halt ein! Ich habe gar nicht so viele Schüsseln!”
“Das Grillgemüse geben wir auf Platten.”
“Ist recht. Aber halt auf.”
Lange hat das nicht gedauert. Dreißig Minuten.
“Hast Du Hunger?”
“Schon. Heute Nachmittag muss ich zur Vorstellung hier auf dem Reschen.”
“Ne. Bei wem?”
Ich sage Marco das Hotel.
“Das ist eine Furie. Der hauen laufend die Köche ab.”
“Gibt ‘s dort keinen Chef?”
“Schon. Die Mutter der Furie.”
“Männer gibt es da keine?”
“Oja. Die sind Bauern. Die haben Tiere. Die triffst Du höchstens zu den Mahlzeiten.”
“Und Kinder?”
“Zwei. Die kommen auch zu den Mahlzeiten. Ein Knecht holt die von der Schule und bringt sie zurück.”
“Und Arbeiter. Gibt es da auch welche?”
“Das ist unterschiedlich. Zwei Knechte kommen immer.”
“Bei dem Personalessen kann ich also von rund dreißig Personen ausgehen?”
“Die Einheimischen gehen nach Hause. Warte mal. So, um die zwanzig kannst Du einplanen. Ich wette, dass Du dort keine Woche bist.”
“Das sind ja schöne Aussichten.”
“Merke Dir die Anderen vor und mach mit denen trotzdem die Termine.”
“Danke für die Tipps.”
“Wir gehen mal Etwas essen. Ich habe heute Gulasch.”
“Mit Semmelknödel?”
“Aber natürlich.”
Die Zimmermädchen kommen auch schon.
“Joana ist auf dem Zimmer. Die sucht Dich.”
Joana kommt und ich frage sie, wann sie frei hat. “Ich bin mittags fertig. Wieso?”
“Ich habe eine Vorstellung im dem Hotel.”
“Dort hab ich schon gearbeitet! Das weißt Du doch. Das ist eine Furie!”
“Vielleicht funktioniert es mit mir.”
“Das bezweifel ich.”
“Aber vorstellen tun wir uns.”
“Ich warte Draußen.”
“Ist okay.”
Drinnen bietet sich mir ein Bild, das ich so bisher nur selten erfahren durfte. Die Küche war sauber und ziemlich modern. Wenn ich nachmittags zur Vorstellung geladen werde, gehe ich davon aus, dass ich einen Kollegen ersetzen soll, der noch nicht gegangen ist. Ich soll den praktisch verdrängen oder mich mit ihm im Wettbewerb messen. Das lehne ich von Vornherein ab.
Die Chefin zeigt mir die Küche, die Lagerräume und sogar das mise en place meiner Kollegen.
“Ist doch Alles bestens. Was wollen Sie?”
“Naja. Der Koch hat gesagt, er will gehen.”
‘Die haben sich um den Lohn gestritten’, denk ich mir. Der soll jetzt erpresst werden.
“Wie ist die Arbeitszeit? Ist das ein Ganzjahresbetrieb? Wie viele Gäste bekoche ich am Tag? Was würden Sie mir dafür zahlen?”
“Wir haben sechzig Betten. Mittags kommen ein paar Arbeiteressen. Es gibt sozusagen, Mittagsservice und das Abendmenü für Hausgäste.”
Sie zeigt mir die Karten und das Menü für Heute.
Ein gutes Menü im oberen Preissektor. Auf den Karten sehe ich ein Marendeangebot. Marende nennt sich in Österreich, Jause. Sprich, das Nachmittagsangebot.
“Wer betreut die Marende?”
“Die Kellner!”
“Wer macht das Frühstück?”
“Frühstück und Marende machen die Köche. Sie wechseln sich ab.”
“Wie viele Köche sind wir?”
“Drei”
Das heißt, ich soll dort, bis auf eine Ausnahme je Woche, mindestens zwölf Stunden pro Tag arbeiten. Unter drei Mille netto wäre das nicht machbar. Das sind immerhin sechs Doppelschichten pro Woche und der Arbeitsweg.
“Ich möchte dafür dreitausend achthundert!”
“Der letzte Koch wollte zweitausendvierhundert.”
“Ja. Und deswegen ist er nicht mehr da.”
“Ich rufe an. Gib mir Deine Nummer.”
Ich lass meine Nummer da und verschwinde. Kaffee hat die mir nicht angeboten. Auch keinen Imbiss. Von Fahrgeld will ich gar nicht reden. Offensichtlich verwechselt diese Tante ihr versautes Privatleben mit Anstand und Höflichkeit.
Wir bezahlen immerhin mit unserer Leistung ihren Hoteltraum.
Joana fragt mich vor der Tür gar nicht mehr. Sie weiß es. Wir fahren morgen eh in die Werkstatt. Heute schaffen wir das nicht mehr. Der Werksverkehr im Vinschgau würde das verhindern.
“Hast Du morgen frei?”
“Sicher. Wir haben wenig zu tun.”
Alfred steht bei Marco. Sie warten auf mich.
“Und? Wer hat Recht”
“Volltreffer! Ich hab aber auch viel Geld verlangt.”
“Naja. Den Lohn muss man schon verlangen!”
Alfred tröstet uns und gibt einen Grappa aus. Der schmeckt vorzüglich. Ein Sibona, acht Jahre gelagert. Teuer! Ich könnte die ganze Flasche aus saufen.
Wir gehen zeitig schlafen, weil wir ganz früh abfahren wollen.