
An der Abfahrt zu Serfaus wird es dagegen erheblich bewegter. Heimreiseverkehr. Ich bin nicht mehr allein auf der Straße und werde schon wieder von voll gepackten SUV’s mit Heck- und Dachgepäckträgern überholt. Mir fällt es schwer, den Scheibenwischer einzuschalten und dabei die Spur zu halten. Hinter diesen Traktoren bilden sich wahre Fontänen aus Salzwasser.
An den Tankstellen finden sich ein paar Handwerker ein, die gerade noch ein Frühstück nehmen bevor sie zur Arbeit gehen. Im Tunnel von Landeck ist schon zäh fließender Verkehr. Alles Deutsche und ein paar Holländer. Ich halte einen großen Abstand wegen deren Gepäckträgern. In Zams komme ich eine dreiviertel Stunde zu zeitig an. Vor der Klinik steht ein kleiner Imbisswagen, der auch Kaffee führt. Der Betreiber ist ein Türke. Er kocht einen Kaffee…, ein Hochgenuss. Wir reden etwas zusammen und er verrät mir, dass sie als Familie diesen Stand betreiben. Er hat Frühschicht und geht danach einkaufen. In den Ferienzeiten helfen ihm seine Kinder und sonst, seine Frau und seine Mutter. Auf den Öffnungszeiten hat er von sechs Uhr bis zweiundzwanzig Uhr stehen. “Wer kommt denn zu Ihnen, wenn das Krankenhaus geschlossen hat?”
“Dort! Schau! Dort ist eine Haltestelle.”
“Und die bringt Ihnen die Gäste?”
“Joa. Hier muss Leute umsteigen und warten.”
Er verkauft auch ein paar Zeitungen und Lotto. Unsere italienischen Landsleute lassen die Lottoverkäufer gut leben. Ich hab nicht gedacht, dass das in Österreich auch so ist. Auf alle Fälle, lohnt sich so der Imbiss.
Ich hab jetzt den dritten Kaffee rein und sehe, wie mein Arzt kommt. Er kommt zu uns und bestellt sich einen Kaffee. Der Imbissbetreiber möchte den Kaffee von ihm nicht bezahlt haben. Man kennt sich gut. Der Arzt sagt zu mir, er hilft oft seiner Familie. Ein Kind von ihnen ist etwas behindert nach einem Unfall. Wir gehen zusammen in sein Behandlungszimmer und er betrachtet meinen Verband.
“Sie haben gearbeitet.”
“Nein. Ich habe nur Probleme mit dem Besteck beim Essen.”
Der Doktor lacht laut; auch wegen meinem Sächsisch.
“Die Fäden können wir heute noch nicht ziehen.”
Jetzt, wo ich das sehe, muss ich ihm Recht geben. Es sieht grausam aus.
Er rammelt mir mit etwas Nachdruck, eine Spritze in den Hintern und eine in den Arm. Die zwickt besonders.
“Das ist für die Heilung und dafür, dass Ihnen der Schnitt nicht verfault.”
“Ich muss noch zu einer Vorstellung fahren.”
“In dieser Saison brauchen Sie sicher nicht arbeiten. Lassen Sie das! Sie können sich schwere Infektionen holen in der Küche. Das bekommen wir nicht so leicht hin.”
“Naja. Ich brauch aber Geld, weil ich meine Wohnung bezahlen muss. Als DDR – Migrant möchte ich nicht in Rückstand geraten und schon gar nicht um Aufschub betteln.”
“Ich gebe Ihnen mal ein paar Tabletten mit. Die helfen etwas. Übertreiben Sie nicht! In drei Tagen ist Verbandswechsel.”
“Samstag arbeiten Sie auch?”
“Mir geht es wie Ihnen. Die Raten drücken.”
Die Schwester kommt rein. Eine Schnecke. Mit ihr hat er sicher etwas Freude beim Bedienen der Raten. Etwas Freude versüßt das harte Arbeitsleben. Die Schwester hat wieder alle Unterlagen fertig und drückt sie mir in die Hand. Ich verabschiede mich und die Zwei wünschen mir eine gute Fahrt. Ich soll vorsichtig fahren im Paznauntal. Am türkischen Imbiss stehen gerade zehn Kunden und er winkt mir nur kurz zu. Ich winke zurück. Das Auto ist noch warm. Der Verkehr ist jetzt erheblich lebhafter geworden und vor Allem, mit reichlich Touristen gesegnet. Ich zwinge mich, langsam zu fahren. Hinter mir hupen die Touristen, weil ich in den vielen Kreisverkehren, nur bedingt flüssig lenken kann.