Sommersaison – Frühjahr

Unsere Küche liegt im Keller. Eine Etage tiefer als das Erdgeschoss. Eigentlich ist das günstig. Man muss nur die Fenster öffnen zum Entlüften. Die Lage hat aber auch einige Nachteile. Kalte Luft fällt nach Unten und drückt die warme, auch die feuchte, nach Oben. An der Decke der Küche ist das Ergebnis zu sehen. Die Decke droht stellenweise herab zu fallen. Gasbetrieb und der wirklich heiße Betrieb von Ölöfen wird den Zerfall der Decke noch beschleunigen.

Der Nachteil dieser Lage ist aber auch anderweitig spürbar. Der Sauerstoff, den das Gas und der Ölofen verbrennt, kommt nicht in dem Maße zur Küche, wie man es tatsächlich benötigt. Die Luft wird dünn. Abhilfe soll nun die Öffnung der Kellertür bringen. Aber genau das, stört wieder die Empfindlichen. Zugluft. Stelle ich jetzt noch die Lüftung ein, kann ich schon von einer Knappheit an Sauerstoff reden. Und die ist selbst für eine noch brennende Gasflamme gefährlich. Das Gas geht einfach aus. Wenn ein großer Topf darauf steht, sieht das der Koch nicht. Die Piezozündung soll für gewöhnlich eine unkontrollierte Entzündung der Brennstelle verhindern. Wir würden das als Explosion bezeichnen. Im geringsten Fall als Verpuffung. Unter den Töpfen herrscht aber eine Temperatur, die sich auch auf die Brennköpfe der Gaszufuhr auswirken. Die werden samt dem Bimetall so heiß, dass sich das Gas sofort wieder entzünden kann. Zwei Mal durfte ich das Phänomen beobachten. Ich bekomme langsam ein gemischtes Gefühl bei der Verwendung von diesen Brennstellen. Die Induktion ist mir da bedeutend lieber. Leider ist aber unser Maximalverbrauch begrenzt. Ich versuche schon lange, heraus zu bekommen, ob die Energie des Hauses mit einer Software reguliert wird. Spätestens dann, wenn die Sauna ihren Dienst beginnt, bricht mir das Netz zusammen. Ich stehe dann im Dunkeln. Und das ist besonders gefährlich für mich. Genau aus dem Grund, versuche ich, sämtliche Speisen vor der Ausgabe fertig zu haben. Das ist zwar nicht frisch im Sinne von ganz frisch. Aber es ist die einzige Möglichkeit, unsere Gäste qualitativ hochwertig zu versorgen. Ich nehme Abstand von Hauptgerichten, die zu viel Energie benötigen. Unsere Fritteusen werden mit Gas betrieben. Zum Glück. Das hat aber auch Nachteile. Ziemlich gefährliche dazu. Gasheizungen benötigen einen Austritt. Sozusagen, einen Auspuff wie am Auto. Und dieser Austritt wird ungeheuer heiß. Verbrennungen sind dabei an der Tagesordnung. Und nicht nur das. Die heiße Luft verdrängt zusätzlich Sauerstoff. Der Koch bekommt schnell Kopfschmerzen. Genau aus diesem Grund, hasse ich Gasküchen. Stehe ich in so einer Küche über zehn Stunden am Tag in Sechs – Tage – Woche, sind massive Gesundheitsschäden sicher das kleinste Übel.

Das größte Übel sind Zustände, die das nicht anerkennen. Mit der Anerkennung des Übels, würden auch Maßnahmen ergriffen, das abzustellen. Und genau das findet eben im Kapitalismus nicht statt. Auch nicht in Südtirol. Und das, trotz der Anwesenheit von sogenannten Institutionen, die das überwachen sollen. Angestellte können das nicht anzeigen. Das können nur Fachleute sehen und auswerten. Die Institute sind damit für die Katz. Sie sind ganz sicher nicht für die Köche gedacht. Jeder halbwegs ausgebildete Klempner sieht den Missstand auf der technischen Zeichnung des Gebäudes samt Einrichtung. Den Bürokräften fehlt es an Praxis.

Mein Mittagstisch für die Kollegen ist fertig. Ich habe teilweise Überschüsse vom Abendmenü mit verarbeitet. Die Mama kommt in die Küche und holt sich ihr Essen. Die Familie isst im Gastraum Die Kollegen haben ein Extrazimmer. Es herrscht Rauchverbot. Ich muss durch den Keller auf die Straße schleichen. Die Rauchpause lege ich oft mit Tätigkeiten zusammen, die mich in die Nähe einer Tür nach Außen bringen. Rauchen, Sonnenlicht und frische Luft in einem Atemzug. Das Alles ist knapp in einer Küche. Wir werden das später mit lockeren Zähnen, Hautausschlag und kaputten Lungen bezahlen. Das ist dann der Mehrwert, den der Koch bekommt. Natürlich unvergütet.

Nach dem Mittag verschwinde ich so schnell es geht. Aamit bietet mir an, die Küche zu reinigen. Er möchte die Küche wieder wischen. Den Abzieher, den ich beim letzten Mal organisiert habe, nutzt Aamit nicht. Mir ist das langsam egal.

Kurz vor der Mittagspause kommt die Kollegin. Eine junge Frau. Sie geht recht robust an den Ölofen und wirft ihn an. Es stinkt im Haus wie an einer Tankstelle.

Der Zeitpunkt meines schnellen Verschwindens ist gut gewählt.

“Bis dann”, rufe ich zu den Zweien.

Im Flur meines Zimmers ist schon wieder recht lautes Stöhnen zu vernehmen. Ich glaube, ein Quieken mit zu hören. Auf alle Fälle sind es mehr als zwei Personen. Meine Tür ist noch nicht ganz geschlossen, höre ich das Öffnen der Tür des Zimmers, aus dem die Geräusche kamen. Meine Neugier überwältigt mich. Jetzt bediene ich mich einer Gewohnheit unser leider verstorbenen Nachbarin – Paula. Ich spioniere kurz durch den Türspalt, was da vor sich geht. Auf dem Flur steht eine junge Frau mit einem Zelt im Morgenmantel. Das Zelt erinnert mich an die Mumoprala in meiner Turnhose nach dem Aufstehen. Mutters Morgenprachtlatte ist die Abkürzung von Mumoprala. Wir entschuldigten uns mit dem Argument in der DDR, wenn wir zu spät auf Arbeit kamen. Heute würden wir diese Entschuldigung mit der Hälfte unseres Lohnes bezahlen. Selbst das scheint verboten zu sein für Saisonarbeiter.

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